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#28 – Obdachlos

SpotBeat Family Podcast
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#28 - Obdachlos
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Obdachlosigkeit. In meiner bisherigen Vorstellung ist das der Zustand, den man erreicht, wenn man ganz unten in der Nahrungskette der Gesellschaft angekommen ist. Wenn ich an Obdachlose denke, dann stelle ich mir Menschen in Lumpen vor, die sich Züge aus Einkaufswagen bauen und das wenige Hab und Gut, das sie besitzen, durch die Gegend schieben.

Meine Vorstellung muss ich wohl einwenig anpassen. Denn auch unserer restlicher Besitz passt mittlerweile in ein paar wenige Einkaufswagen und auch wir werden in weniger als zwei Wochen gewissermaßen obdachlos sein.

Willkommen zu der 28. Folge des SpotBeat Family Podcasts. Mein Name ist Sergej.

Kaum zu glauben, aber es ist genau ein Jahr her, als ich die erste Folge des Podcasts veröffentlicht habe.

Höre ich da etwa Stolz heraus?

Jaa, schon einwenig. Und zwar aus folgendem Grund: Meine Frau hat im Jahr 2011 etwas begründet, dass mittlerweile eine enormen emotionalen Wert für uns hat. Sie hat in diesem Jahr nämlich alle Fotos zusammengetragen, sortiert und chronologisch als Fotoalbum aufbereitet.

Entstanden ist ein gedrucktes, blätterbares Buch, mit allen Ereignissen aus diesem Jahr. Allen Familientreffen, Ausflügen, Urlauben und sonstigen Gelegenheiten, bei denen Fotos so entstehen. Von diesen Büchern stehen mittlerweile 9 im Regal und geben damit praktisch das komplette Leben unserer Kinder in Form von Bildern wieder.

Wartemal, hast du gerade subtil und in aller Öffentlichkeit Druck auf deine Frau ausgeübt die fehlenden Albums für die Jahre 2020 bis 21 endlich fertig zu stellen?!

Was ich eigentlich damit sagen wollte ist, dass ich mit meinem Podcast seit einem Jahr in eine ähnliche Kerbe schlage wie meine Frau. Ich dokumentiere gewissermaßen unser Leben und hoffe, dass es unsere Kinder eines Tages genau so interessant finden werden, wie in den Fotoalbums zu blättern.

Und weil diese Folge eine Art Jubiläum ist, kann ich mir eine Zusammenfassung der letzten 12 Monate kaum verkneifen. Was ist also bisher passiert?

Nun, Menschen, die ihre Villen durch Deals mit Pharmafirmen finanziert haben und unseren Kindern buchstäblich die Luft zum Atmen vorenthalten wollten, motivierten uns vor einem Jahr unsere Komfortzone zu verlassen.

In unserer Ratlosigkeit kauften wir das erstbeste Wohnmobil und fuhren los. Wir erdeten uns wortwörtlich monatelang barfuß an den Stränden Spaniens und wollten Abstand zu Menschen gewinnen, die uns in ihrer Panik zu Dingen zwingen wollten, die wir inakzeptabel finden.

Gleichzeitig konnten wir üben, wie das wohl ist, wenn man ortsunabhängig lebt, was schon sehr lange ein heimlicher Traum von uns ist.

Klar fehlte uns die Familie und unsere langjährigen Freunde – was sicher eine der Schattenseiten unserer Reise war. Aber zum Glück waren wir nicht allein, denn wir lernten viele andere Familien kennen. Mit einigen verbrachten wir wenige Stunden, mit anderen waren es ganze Monate.

Wir haben verstanden, dass wir uns in Deutschland abhängig und damit erpressbar gemacht haben und dass wir viel weniger Staat und viel mehr individueller Autarkie in unserem Leben benötigen. Einen Zustand, den wir nur erreichen können, wenn wir Verantwortung für uns selbst übernehmen, Abhängigkeiten abbauen und uns materiell verkleinern.

Manche Abhängigkeiten, beispielsweise zur Schule oder zum Finanzamt, lassen sich nicht einfach so eliminieren. Man muss Deutschland physisch verlassen und genau dazu haben wir uns auf unserer Reise endgültig entschieden.

Die Abnabelung von einem Ort ist nicht einfach. Es ist ein langer Weg und wir sind Ende März nach Deutschland zurückgekehrt, um diesen Weg zu gehen.

Wir haben ein großes Haus, das gepflegt werden will und das Monat für Monat Geld kostet, auch wenn wir es nicht bewohnen. Unsere Kinder sind per Gesetz dazu verpflichtet tagsüber in einem Schulgebäude zu sitzen. Und schlußendlich besaßen wir zig Tausende Gegenstände, die wir nicht einfach in einen Rucksack stecken und damit wegfahren können.

All diese Probleme und ToDos haben wir in einem Marathon von knapp sechs Monaten gelöst und mittlerweile tatsächlich den Zustand erreicht, der bisher nur eine Vision für uns war.

  • Wir verdienen unser Geld ortsunabhängig.
  • Unsere Kinder lernen online mit weiteren 250 Kindern aus aller Welt.
  • Unser Haus ist ab dem 01. Oktober vermietet und bringt uns zusätzliche Einnahmen.
  • Und selbst den LKW Führerschein, den ich brauche, um größere Häuser zu fahren, habe ich seit Mittwoch in der Tasche.

Äh, nochmal bitte.

Ja es ist auch für uns eine Menge zum Verarbeiten. Aber lass mich das Eine nach dem Anderen erzählen.

Um die Zusammenfassung abzuschließen: Wir haben alles geschafft, was wir uns vorgenommen haben, sind aber auch leicht reif für den Urlaub. Oder möchtest du noch etwas ergänzen Schatz?

Ne ne, zieh du mal schön deinen Monolog durch.

Ok, dann lass mich mal mit den Kindern beginnen.

Die jüngste geht noch bis zu unserer Abreise in die Grundschule und wechselt dann in den Privatunterricht bei meiner Frau, sobald wir abreisen.

Und wohin gehts?

Es geht für eine Woche nach Paris, und dann für zwei Monate nach Spanien.

Unsere Mittlere und unsere Älteste haben nun eine Woche Online Gymnasium hinter sich und es läuft besser als erwartet.

Am Montag waren wir alle bei der Einführung und mit uns im Video-Chat saßen 258 Familien. Wir haben ein Link zu einer Karte bekommen und konnten einen Marker auf den Ort setzen, an dem wir uns gerade befinden.

Nach einigen Minuten waren hunderte von Markern zu sehen und bedeckten den halben Globus. Europa war am Stärksten vertreten, aber selbst in Indien und Kolumbien saßen Familien an den Bildschirmen und winkten in die Kamera.

Gearbeitet wird mit Teams und OneNote von Microsoft. Die Stundenpläne sind als Termine im Kalender geplant und sobald der Unterricht losgeht, bekommen die Kinder einen Anruf auf ihren Laptops vom Lehrer.

Aber, wie läuft so ein Unterricht eigentlich ab? Eine Frage, die meine mittlere Tochter mittlerweile besser beantworten kann, als ich…

Ok, also es läuft so: Wir begrüßen uns, dann fragen die Lehrer, was wir noch von der letzten Stunde wissen und dann legen wir mit dem Lernen los.

Und wie lernt ihr?

Wir öffnen das Klassennotizbuch mit dem heutigen Datum und sehen dann die Aufgaben. Meistens haben wir 5 Minuten Zeit pro Aufgabe.

Und sprecht ihr die Aufgaben durch?

Ja, die Lehrer erklären uns was zu tun ist und wir legen los.

Und welche Unterschiede gibt es zu deiner alten Schule?

Ich kann ausschlafen, weil die Schule später anfängt. Und die Schule ist über Laptop. Und selbst wenn man krank ist, kann man Schule machen…

Und wie gut funktioniert das mit der Technik?

Einmal konnte ich nichts ausfüllen, aber das haben wir jetzt gelöst. Und mein Klassenkamerad ist mal rausgeflogen und konnte eine halbe Stunde nicht rein. Ich verstehe alle gut, aber manchmal wenn ich etwas sagen möchte, vergesse ich mein Micro anzumachen.

Und wo sitzen deine Klassenkameraden?

Am Schreibtisch auf den Stühlen.

Nein, das meine ich nicht. Ich meine in welchen Ländern sind sie?

Einige sind in Costa Rica und einige sind in Deutschland und von den anderen weiß ich das noch nicht.

Danke mein Schatz.

Also für die erste Woche fanden wir das schonmal gar nicht schlecht. Die Kinder organisieren sich praktisch zu 100% selbst. Sie stehen auf, machen sich fertig und schauen kurz auf den Stundenplan. Sie stellen sich einen Wecker und machen ihr Ding. Ab 14:00 Uhr wird es dann ruhig bei uns im Haus.

Schön ist dass die Klassengröße auf 15 Kinder begrenzt ist und sie zum Teil auch Projektarbeit machen. Und nicht alles läuft am Rechner. Wie z.B. der Kunstunterricht abläuft, kann meine Älteste erzählen:

Es läuft so ab: wir reden über Künstler. Dann öffnen wir das Klassennotizbuch. Die Lehrerin schickt uns Aufgaben, die wir dann bearbeiten. Wir haben Sachen abgemalt, dann fotografiert und dann der Lehrerin geschickt.

Spannend wird es nächste Woche. Dann verbringen die Kinder nämlich einige Tage bei meiner Mutter, haben aber regulär Unterricht. Dann sollte der große Vorteil der Online-Schule zum Tragen kommen:

Nämlich?

Das wir sie überall hin mitnehmen können.

Kommen wir zu einer Sache, die wahrscheinlich die größte Veränderung für uns bedeutet: Wir haben nämlich unser Haus zum 01. Oktober dieses Jahres vermietet. In nicht einmal zwei Wochen ziehen wir hier endgültig aus und werden – wenn alles nach Plan geht – auch nicht wieder einziehen.

Kaum habe ich im August die letzte Podcast Folge veröffentlicht, meldeten sich Tobias und Esther bei uns. Er, Berufssoldat und sie, angehende Ärztin, suchten nach einem kuscheligen Plätzchen, um eine Familie zu gründen und haben unser Haus ins Auge gefasst.

Nach den Erfahrungen der letzten Wochen haben wir eigentlich nicht mehr damit gerechnet vor unserer Reise nach Spanien das Haus zu vermieten. Aber nach dem 2,5 Stunden-Gespräch mit den beiden war uns klar, dass sie sehr gut in dieses Haus und auch in unser Dorf passen.

Danach ging es ganz schnell. Mietvertrag aufgesetzt und unterschrieben, abgeklärt welche Möbel bleiben und welche weg müssen und das Datum der Übergabe angesetzt.

Jetzt, wo wir Tatsachen geschaffen haben, ist alles ganz einfach. Und, es fühlt sich immer noch richtig an. Klar schwingen Sorgen mit, aber wir hoffen auf das Beste.

Mein persönliches Highlight habe ich mir zum Schluss aufgehoben. Ich habe nämlich meine LKW Prüfung mit Bravur bestanden.

Hey du bist so ein Prolet. Warum sagst den Leuten nicht, dass du gerade so durch die Prüfung gekommen und fast durchgefallen bist?

Ist ja gut. Die praktische Prüfung war echt knapp, aber bestanden ist bestanden und ein Berufskraftfahrer wird aus mir eh nicht.

Falls du mit dem Gedanken spielst auch mal so ein Führerschein zu machen, kann ich dir den Intensivkurs von Deula wirklich empfehlen. Zwei Wochen lang sind wir vormittags vier Stunden gefahren und hatten Nachmittags vier Stunden Theorie.

In der dritten Woche hatte ich dann die theoretische Prüfung, eine abschließende Fahrstunde und letztendlich am Mittwoch die praktische Fahrprüfung.

Für mich war das eine Art Aktivurlaub. Denn Gedanklich war ich aus der Arbeit wirklich raus. Auch finanziell fand ich es akzeptabel. 2800€ hat uns der Spaß gekostet. Deula ist eine s.g. gemeinnützige GmbH. Gewinne werden reinvestiert, daher ist der Preis relativ günstig. In einer anderen Fahrschule hätte ich über 4000€ bezahlt.

Und noch ein Fun-Fact. Deula bietet über 150 Kurse an. Unter anderem kannst du da lernen, wie du mit einer Kettensäge Bäume fach legst, Fischzucht in einer künstlichen Umgebung aufziehst oder Pferde besamst.

Meinst du das ernst?

Du, ehrlich, dass es so einen Beruf gibt, hat auch meine Welt erschüttert.

Wie gehts weiter und was liegt die nächsten Wochen bei uns an?

Nun, wir legen uns die nächsten Tage noch kräftig ins Zeug und schließen das Haus-Projekt ab. Danach setzen wir uns ins Auto und fahren los mit dem Ziel Mitte Oktober im warmen Spanien zu sein. Dort haben wir bereits Unterkünfte gebucht, so dass wir bis ins neue Jahr genau wissen, wo wir sein werden.

Zwei Projekte liegen dieses Jahr noch an. Das erste ist es das Grundstück in einen ansehnlichen Zustand zu bringen. Und das zweite ist die endgültige Abmeldung aus Deutschland. Aber das muss gut vorbereitet werden. Denn ohne einen festen Wohnsitz ist vieles komplizierter und darüber müssen wir uns erstmal informieren.

Wir hören uns das nächste Mal aus Spanien. Ich wünsche dir eine angenehme Woche.

Bis dann.

Über diesen Autor gibt es soviel zu sagen, das passt hier alles gar nicht hin. Am Besten kontaktieren und kennenlernen 😉.

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