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Sitzbank im IVECO Trakker und TÜV

Das große Ziel, das wir mit unserem Projekt verfolgen, ist eine mehrjährige Reise durch Süd- und Nordamerika. Und, was dann noch so kommt.

Wir wollen mit unserem Fahrzeug nicht in die letzte Ecke der Erde fahren können, sondern versuchen einen großen Spagat zwischen den Themen Komfort, Sicherheit, Redundanz, Autarkie und Flexibilität zu schlagen. Schließlich wird es nicht nur ein Wochenendfahrzeug, sondern ein zu Hause.

Aus diesem Grund haben wir uns für einen Allrad LKW entschieden, auf den wir einen Koffer aus GFK-Sandwich setzen werden.

Eine Sache (die ich vielleicht zu blauäugig angegangen bin), ist die Erweiterung der Fahrerkabine auf 5-Sitze. Wir haben drei Kinder und wollten sie ungern im Koffer mitfahren lassen und die Fahrerkabine ist eigentlich groß genug, um eine Sitzbank oder drei Einzelsitze einzubauen.

Wäre normalerweise kein Problem, wäre da nicht die Sache mit dem TÜV und der Zulassung als 5-Sitzer.

Ausgangssituation

Wir haben uns einen IVECO Trakker (MP190E35W/P, Baujahr 2001) aus dem Bestand der Schweizer Armee gekauft. Das Fahrzeug ist bereits mit drei Sitzen ausgestattet.

Unser IVECO EuroTrakker von 2001 mit drei Sitzen.

Den mittleren Sitz – so dachte ich mir – schmeißen wir raus und kaufen uns eine originale Sitzbank von IVECO. Denn die Trakker Kabine gibt es auch kürzer und unsere hat eine eher mittlere Länge. Also wird diese Kabine bestimmt auch mit einer Liege ausgeliefert worden sein, auf der man auch sitzen könnte. Wie schon gesagt: dachte ich mir.

Um es vorweg zu nehmen: Eine Sitzbank gibt es für dieses Modell nicht.

Was also tun?

Plan A

Als Informatiker hatte ich bisher kein großes Interesse an Fahrzeugtechnik. Aber ich habe mir in den Kopf gesetzt ein ExMo zu bauen, oder zumindest mit zu bauen. Also war ich auf der Suche nach einer Art Coach. Jemanden, der mindestens einen Ausbau bereits gemacht hat, mich anleiten kann und mir dabei hilft das Projekt zu Ende zu bringen.

Andi ist so jemand. Ich habe mich bei ihm in die Werkstatt eingemietet, nutze sein Werkzeug und löchere ihn mit so ziemlich allen Fragen, die mir in den Sinn kommen.

Sein Werkstattnachbar ist zufälligerweise Prüfer beim TÜV. Wir haben uns gemeinsam das Problem angesehen und er hat mir eine ziemlich gute Vorstellung davon gegeben, was ich tun müsste, damit der TÜV später in der Einzelabnahme ein grünes Licht gibt.

  1. Alles penibel dokumentieren.
  2. Alle Arbeiten fachmännisch erledigen (lassen).
  3. Auf Nummer sicher gehen.

Wir gehen vom Schlimmsten aus: Die drei Beifahrer hinten bringen zusammen 225kg auf die Waage. Du fährst mit 90 km/h gegen die Mauer und kommst zum sofortigen Stillstand. Diese Konstruktion muss um jeden Preis halten.

Quelle: TÜV Prüfer

Unsere erste Idee war es eine durchgehende Konsole aus Stahlprofilen zu schweißen, und da drauf drei Einzelsitze aus einem VW T5 zu montieren. Die haben nämlich drei Vorteile:

  1. Der Gurt ist am Sitz befestigt.
  2. Der Sitz baut in der Höhe nur sehr wenig auf.
  3. Der Sitz wird mit nur vier Schrauben befestigt.

Nachdem ich den hinteren und unteren Teil der Kabine sowohl außen als auch innen von allen Anbauteilen befreit habe, legten wir fest, welche vorhandenen Schraubpunkte wir nutzen und welche zusätzlichen Schraubpunkte wir schaffen müssen.

Fahrerkabine von unten.
Platz hinter dem Fahrersitz.

In der Kabine wollten wir die neue Konsole zwischen der B und C Säule verkeilen und auch anschweißen. Also habe ich mich an die Arbeit gemacht und schnell eine Dummy-Konsole aus Holz gezimmert, damit ich einen Sitz zur Probe hinstellen konnte.

Das Brett hat eine Tiefe von 50cm.
Die Lehne baut in der Tiefe ca. 20cm auf.

Nachdem ich einen Sitz zur Probe hingestellt habe, stellte ich fest: Scheiße, zu eng! Wenn ich den Fahrer- oder Beifahrer Sitz ganz nach vorne schiebe, dann messe ich 86cm. von der Rückwand. Die meisten Sitze (auch der aus dem T5) haben eine Tiefe von > 67cm. Für die Beine bleiben weniger als 20cm und auch für den Beifahrer wird es eng.

Plan B

Ich durchsuchte das Internet nach schmaleren Sitzen und schaute mir auch Hartschalen aus dem Rennsport an. Leider sind die Maße sehr ähnlich, so dass es da nur weniger Unterschiede gibt. Auch haben die meisten Sitze keine Gurte, was den Einbau verkompliziert.

Ich schrieb vier verschiedene Unternehmen an, die sich mit der Nachrüstung von Sitzen in Sonderfahrzeugen beschäftigen, bekam aber nur Absagen. Was ziemlich ernüchternd ist, weil wir nun auf uns ganz allein gestellt sind.

Mir bleiben nur zwei Möglichkeiten:

  1. Wir verlängern die Kabine um 10-15 cm, damit wir Platz für die Lehne der T5 Sitze gewinnen. Das Bedeutet eine Menge Arbeit, aber Plan A kann auf Umwegen realisiert werden.
  2. Oder wir bauen eine Sitzbank auf einen Gurtbock, statt auf Standardsitze zu setzen.

Der Gurtbock vereint die Konsole mit einem Rahmen, an dem die Gurte befestigt sind. Ich habe mich an Sketchup gesetzt und die Idee skizziert:

Der Gurtbock wird an insgesamt 16 Punkten mit dem Rahmen verbunden. Da wir ihn nicht als Ganzes in die Kabine bekommen, habe ich mir einen drei-Teiler ausgedacht, den wir im Fahrerhaus zu einem Ganzen verschrauben.

Das ist mein aktueller Stand. Die nächsten Schritte sind:

  1. Gurtbock mit dem TÜV-Prüfer besprechen und ggf. anpassen.
  2. CAD Modell des Gurtbocks anfertigen, Material und Profil(Stärke) festlegen.
  3. Statische FEM Analyse mit 1000kg Zuggewicht durchführen.

Update 05.08.2023

Dank meinem Vater, ist der erste Entwurf des CAD Modells fertig. Wir haben die passenden Profile herausgesucht und zu jedem Profil die Material-Eigenschaften wir z.B. Zugfestigkeit hinterlegt. Für jede Bohrung, die wir verschrauben, ist eine Hülse vorgesehen, um Formschluss zu gewährleisten.

Was noch fehlt – und da waren wir uns nicht sicher – sind die Schweißnähte. In SolidWorks lassen sich Materialverbindung auch mittels Schweissnaht modellieren. Bevor mein Vater sich aber die Arbeit macht Hunderte Kanten einzeln anzuklicken und mit einander “zu verschweißen”, warten wir das Feedback von meinem Bekannten ab, der die FEM Analyse durchführen wird.

Ein weiteres Puzzel-Teil, das mit zugeflogen kam, ist die Berechnung des Gurtbocks. Denn so wie ich am Bock ziehen wollte, ist es einfach unrealistisch. Die Krafteinleitung kommt durch die Gurte. Und weil es Dreipunktgurte sind, wird die Kraft an neun Punkten eingeleitet.

Laut der ECE-Regelung Nr. 16 muss der Sicherheitsgurt 9.800N ab können und bis 14.700N reisfest sein.

Die Breite des Gurtbands muss mindestens 46 mm betragen, wenn eine Zugkraft von
980 daN + 100 – 0 daN ausgeübt wird. Diese Messung ist gemäß der Prüfung nach Absatz 7.4.3
durchzuführen, und die Maschine ist bei der genannten Zugkraft anzuhalten (1).

Bei den beiden nach den Vorschriften des Absatzes 7.4.1.1 konditionierten Gurtbandmustern muss die nach den Vorschriften des Absatzes 7.4.2 bestimmte Reißlast mindestens 1 470 daN betragen. Die Differenz der Reißlasten der beiden Muster darf nicht mehr als 10 % der größeren der gemessenen Reißlasten betragen.

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=uriserv:OJ.L_.2018.109.01.0001.01.DEU

Da die Gurte ein ECE-Prüfzeichen haben und für den Straßenverkehr in Europa zugelassen sind, muss ich den Nachweis erbringen, dass die Gurte eher reißen, bevor mein Gurtbock nachgibt. Also ziehen wir…

  • … an jeder Gurt-Verschraubung mit 14700N, um zu beweisen, dass die sie hält.
  • … mit einem Drittel von 14700N an allen Gurt-Verschraubungen, um zu beweisen, dass der Gurtbock als Gesamtsystem hält.

Über diesen Autor gibt es soviel zu sagen, das passt hier alles gar nicht hin. Am Besten kontaktieren und kennenlernen 😉.

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