#18 – Dekadenz
Ich mache diesen Podcast ja in erster Linie für euch. Also für meine Töchter. Ob das eine gute, oder keine gute Idee war, was Mama und ich im Oktober gestartet haben, werden wir erst in paar Jahren sehen. Aber ich dachte mir, dass für euch ein paar aufgezeichnete Worte interessanter sind, als verschwommene Erinnerungen.
Für heute hatte ich mir das Thema Geld vorgenommen. Eigentlich. Da wir seit genau 94 Tagen unterwegs sind, wäre es ein guter Zeitpunkt einen Kassensturz zu machen und mal die Ausgaben der letzen Monate zu analysieren. Also zusammenzurechnen, was ein Leben in einem Wohnmobil uns in Spanien so gekostet. Und das habe ich gestern auch getan.
Als ich die Zahlen sah, führte das bei mir zu einem leichten Nervenzusammenbruch (oh ja) und deshalb habe ich beschlossen, dass eure Mutter und ich (vor allem aber eure Mutter, aua)… Auf jeden Fall sollten wir das Amt als Vorbilder in Sachen Geld hiermit offiziell niederlegen. Oder um es anders auszudrücken: Wie man richtig mit Geld umgeht, lernt ihr nicht bei uns. Sucht euch bessere Vorbilder und lest Bücher.
Ich hätte da aber noch ein anderes Thema im Angebot. Eins, das sehr gut zu dem passt, was wir diese Woche gesehen haben. Und das nennt sich Dekadenz.
Willkommen zu der 18 Folge des SpotBeat Familiy Podcasts. Mein Name ist Sergej.
Bevor ich dir erzähle, was wir alles gesehen haben, möchte ich auf die Dekadenz eingehen. Das Wort ist in den vergangenen Tagen nämlich sehr oft bei uns gefallen. Aber was bedeutet es eigentlich?
Dekadent ist jemand, der einen auf dicke Hose macht.
Jaa, aber nein. Ich denke, dass ich dir Dekadenz am Besten an einer Geschichte erklären kann. Nämlich der Geschichte vom englischen Rasen. Also dem grünen Zeug, das bei den meisten Eigenheimbesitzern heutzutage im Garten wächst. Auch bei uns.
Noch vor 300 Jahren waren die meisten Menschen in Großbritanien einfache Bauern, die sich selbst versorgten. Land hatten sie keins, das gehörte nämlich den Adligen. Aber Bauern durften sich um das Land kümmern und mussten anschließend einen Teil ihrer Ernte an die adligen Landbesitzer abführen. Heutzutage würde man sagen, sie haben Steuern bezahlt.
Land war also etwas wertvolles. Genauso wie Arbeitskraft. Denn automatisierte Landwirtschaft wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht. Pflanzen und ernten war also eine Frage von Muskelkraft. Und auf dem Hof wurde jede helfende Hand gebraucht.
Wenn man heute reich aussehen möchte, dann macht man das mit teuren Uhren, schicken Autos und dicken Villen.
Damals hat man seinen Reichtum mit gut gepflegtem Rasen zur Schau gestellt. Denn Rasen machte zwei Dinge deutlich: Erstens, ich habe sehr viel Land. Soviel, dass ich einen Teil davon mit einem nutzlosen Kraut bepflanzen kann. Und zweitens habe ich soviel Geld, dass ich auch noch Leute dafür bezahlen kann, dieses nutzlose Kraut zu pflegen, anstatt sie auf den Feldern Gemüse anpflanzen zu lassen.
Damals hat die Größe der Rasenfläche einen direkten Eindruck von der Größe des Geldbeutels vermittelt. Und es war der Inbegriff von Wohlstand, von dem der gewöhnliche Bauer nur träumen konnte.
Heute haben viele von uns zu Hause einen englischen Rasen.
Wow, dann bist du ja auch wohlhabend.
Scheint so. Bloß rasenmähen muss ich noch selbst.
Das, was die damaligen Landbesitzer mit dem Rasen gemacht haben, würden wir heute als dekadent bezeichnen. Übersetzt heißt das Wort aber Verfall oder Niedergang. Hat also nichts mit Wohlstand oder Angeberei zu tun. Im Duden steht:
Kultureller Niedergang mit typischen Entartungserscheinungen in den Lebensgewohnheiten und Lebensansprüchen.
Und das macht auch Sinn. Zivilisationen und Gesellschaften gleiten in die Dekadenz ab, wenn sie keine echten Probleme mehr zu lösen haben oder ihnen die Herausforderungen ausgehen. Dann machen sie Dinge, bei denen man nur Kopfschütteln kann.
Die adligen Landbesitzer gibt es in der Form nicht mehr. Genauso wenig wie die alten Griechen, die Ägypter und die Römer. Auch die Katholische Kirche mit ihrer Inquisition ist zum Glück nicht mehr das, was sie einmal war. Das waren alles Menschen, die es richtig krachen lassen haben.
Und wenn ich mir so ansehe, mit welchen Problemen wir uns heute im Westen so rumschlagen – Stichwort „Genderwissenschaften“ – dann kommt mir das irgendwie vertraut vor.
Man könnte sagen, dass Dekadenz ein Symptom einer Gesellschaft ist, die ihr Zenit überschritten hat und mit der es nur noch bergab geht. Und wir haben diese Woche sehr viel dieser Dekadenz besichtigt.
Am Sonntag gab uns Janina eine Tour durch Almeria. Wahrscheinlich sagt dir die Stadt nichts, aber vielleicht hast du die größte Sehenswürdigkeit dort trotzdem schon gesehen. Nämlich dann, wenn du die sechste Staffel von Game of Thrones kennst. Der Hauptsitz der Familie Dorne war nämlich Alcazaba von Almeria.
Jaa, du hast recht. Sagt mir wirklich nichts.
Qaṣaba ist die arabische Bezeichnung für eine Stadtburg. Es gibt viele Qaṣabas in Spanien und wir waren eben in der Alcazaba von Almeria.
Diese Festung wurde vor 1000 Jahren errichtet und von den damaligen Stadtherren bewohnt. Das ging 500 Jahre gut, dann hat ein Erdbeben die Burg platt gemacht. Diese Gelegenheit nutzten die Christen. Sie stapelten die Steine wieder auf einander und machten aus der Moschee in der Burg eine katholische Kirche.
Heute wird die Burg nicht mehr von Stadtherren, sondern von Touristen bevölkert. Und ab und an auch von Hollywood-Filmteams, die solche Streifen wie Game of Thrones drehen.
Nach der Tour durch die Stadt gönnten wir uns drei Tage am Strand und fuhren am Mittwoch weiter nach Granada. Die Stadt liegt in den Bergen auf 700 Höhenmetern direkt am Fuß der der Sierra Nevada.
Es war sooo kaallt.
Oh ja. Von unserem Stellplatz aus haben wir die schneebedeckten Bergkuppen gesehen und als die Sonne unterging sanken die Temperaturen auf knapp über 0°C. Das war das erste Mal, dass wir Nachts durchgehend die Heizung angehabt hatten und die war auch dringend nötig.
Die Stadt Granada ist eine Granate.
Wow, hast du dir das Wortspiel selbst ausgedacht?
Ne ohne Witz. Die Stadt ist eine Reise wert. Sie ist nicht groß, aber faszinierend. Manche Spots, die wir gesehen haben, waren einfach nur dekadent. Sie haben uns unsere Armut praktisch ins Gesicht geschrien.
Zentrum der Stadt und der Tourimagnet überhaupt ist die Alhambra. Also eine Stadtburg ähnlich wie die in Almeria, bloß viel größer, viel besser erhalten und auch noch Weltkulturerbe. Wir waren zwei Stunden dort und ich bin fast durchgehend mit einer aufgerissenen Kinnlade durch die Gegend gelaufen.
Diese Stadtburg ist fast 1000 Jahre alt und ist ein Komplex von 700 m Länge und 200 m Breite. Es gibt Mauern, Brücken, Ackerflächen, Gärten, Höfe und mehrere Paläste. Wenn du mal echte Dekadenz sehen willst, dann schau dir diese Paläste an. Ich weiß nicht, wieviele Bildhauer an den Schnitzereien gearbeitet haben, aber es müssen tausende gewesen sein. Und ich kann dir noch so viel davon erzählen, aber Wörter werden es nicht beschreiben können. Muss man es gesehen haben.
Zu Alhambra habe ich persönlich eine Hassliebe entwickelt. Und das hat etwas mit den Eintrittickets zu tun.
Ich denke es ist einfacher in die USA einzuwandern, als Alhambra zu besichtigen.
Wir waren glücklicherweise in der Nebensaison da, denn in der Hauptsaison sind Tickets mehrere Wochen im Voraus ausverkauft. Ein spontaner Besuch wäre da nicht drin. Die Tickets sollte man online kaufen, denn der Verkauf vor Ort gestaltet sich mehr als langsam.
Kinder sind kostenlos und trotzdem muss man ihren vollständigen Namen, ihr Alter, ihre Nationalität und ihre Passnummer angeben. Wir sind 5 Personen und als ich im Online-Shop mit der Eingabe aller Daten fertig war und auf „bestellen“ klickte, kam eine Meldung:
Sorry, aber ihre Plätze sind nicht mehr verfügbar.
Alter was?! Da gebe ich minutenlang Uhrzeiten, Namen, Geburtsdaten, Nationalitäten, Pass- und Kreditkartennummern ein und dann sagt mir dieses Kack-Programm, dass zu meiner Uhrzeit keine Plätze mehr verfügbar sind?
Uhrzeit?
Ja Uhrzeit. Denn der Palast kann nur exakt zu der Uhrzeit betreten werden, die man kauft. Nicht davor und nicht danach. Hast du deinen Bus verpasst, hast du eben Pech gehabt.
Pech hast du auch, wenn du online Tickets kaufst und die kostenlosen Tickets der Kinder nicht mitgeschickt werden. Warum auch immer. So wie in unserem Fall. Ich dachte mir nichts dabei, da Kinder gratis sind. Aber nein. Ohne einen gültigen QR-Code kommst du nach Alhambra nicht rein. Denn der Einlass ist ähnlich gut gesichert, wie die Grenzkontrollen am Flughafen.
Es gibt bewaffnetes Personal. Man durchläuft mehrere Stationen, an denen man das Ticket vorweisen muss. Dann wird der QR-Code gescannt. Zeigt der Bildschirm rot, musst du draußen bleiben.
Mhh, kommt mir irgendwie bekannt vor.
Willkommen in der digitalen Diktatur.
Glücklicherweise arbeiten da auch noch Menschen. Und da Spanier flexibel sind, haben sie einen Weg gefunden uns doch noch da rein zu lassen. Aber wir mussten rennen, um unser Zeitfenster nicht zu verpassen.
Am nächsten Tag haben wir uns die Basilica de San Juan de Dios angesehen. Auch die Bude ist einfach nur dekadent. Gold und Silber soweit das Auge reicht. Die haben da sogar einen Automaten stehen, in den man einen Euro reinwirft und der die Beleuchtung über dem Altar anknipst. Dann blendet es kurz und du glaubst direkt vor den Toren des Himmels zu stehen. Da fehlt nur noch der Gesang der Engel. Einfach nur krass.
Am Besten fand ich übrigens das arabische Viertel. Eine echte Romantik. Verwinkelte Gassen und alles irgendwie chaotisch. An jeder Ecke Bars, Restaurants und kleine Geschäfte. Hat viel Charme und man bekommt direkt Lust dort für ein paar Tage in einen AirBnb abzusteigen und einfach mal unter den bunten Leuten zu leben.
Granada können wir auf jeden Fall empfehlen.
Mittlerweile sind wir wieder am Strand und freuen uns über die Wärme. Die drei Nächte in den Bergen waren echt super, aber es ist auch schön wieder am Meer zu stehen. Hier bleiben wir eine Woche und dann geht es Richtung Malaga.
Die Kids haben am Strand Tische und Stühle aufgestellt und schnitzen Schwerter. Was irgendwie ganz passend ist, wenn man an die Spots der letzten Woche denkt.
Janina hat heute Geburtstag und hat damit den Status einer Königin. Heißt Michael darf sie alle paar Stunden massieren. Ansonsten gammeln wir in der Sonne und essen bald einen Kuchen.
Dir wünsche ich noch einen netten Sonntag. Wir hören uns nächste Woche.
Bis dann.
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Sergej
Über diesen Autor gibt es soviel zu sagen, das passt hier alles gar nicht hin. Am Besten kontaktieren und kennenlernen 😉.